Sport ist alles andere als Mord


Zum Glück braucht es zwei Verrückte, um bei 30 Grad in der Mittagshitze Tennis zu spielen, einer allein würde diese Strapazen nie und nimmer auf sich nehmen. Zu Beginn ist der Gedanke nicht von der Hand respektive dem Racket zu weisen, dass Sport Mord sei. Doch mit der Zeit rückt der Genuss des Tennissports immer mehr in den Vordergund. Ob es unsere Chamäleon-Fähigkeiten sind, uns schnell anzupassen, der zunehmende Ehrgeiz und die Freude an gewonnen Punkten oder gar der Sauerstoffmangel des Gehirns mit eintrübenden Gedanken bleibt unklar. Wie wichtig das Element Sauerstoff für den Körper ist, wird sich aber noch in dramatischer Weise zeigen.

Die Partie mit dem Tenniskollegen aus der Schweiz, der ebenfalls ein Haus in Südfrankreich besitzt, geht so zu Ende wie dies meistens der Fall bei uns ist, nach drei gespielten Sätzen mit vielen Ballwechseln und viel Laufarbeit gibt es einen knappen und glücklichen Sieger und einen nicht unglücklichen Verlierer, in dem beide das Gefühl haben etwas geleistet zu haben. Selbstverständlich kommt auch das anschliessende Bierchen nicht zu kurz, ja es wird sogar noch ganz à la Provence mit Oliven, Salami, Baguette und einem kalten Rosé ergänzt. Dieses phantastische Feriengefühl möchten wir weiter erleben, so dass wir eine Wiederholung drei Tage später vereinbaren.

Der Sauerstoffmangel hat es in sich. Das Heimtückische daran ist, dass er sich beim Herzen zeigt und nicht etwa während der Anstrengung in Form einer Angina pectoris sondern atypischerweise am Abend in Ruhe. Etwas Druck beim Brustbein ist ja noch tolerabel, aber die Zunahme in der Nacht lässt beim nichtmedizinischen Kollegen und seiner Frau zum Glück alle Alarmglocken klingen. Wer jetzt das Gefühl hat, in der Provinz in Südfrankreich sei man schlecht aufgehoben, täuscht sich gewaltig. Auch hier gibt es eine optimale periphere Versorgung mit Überweisung ins Zentrumspital, so wird der Kollege nach primärer Diagnose einer akuten koronaren Erkrankung in St. Raphaël notfallmässig noch in der Nacht ins Herzzentrum nach Cannes überwiesen.

Kein Herzinfarkt respektive gerade noch keiner, nur ein massiver Sauerstoffmangel des Herzmuskels auf Grund einer massiven Verengung eines Herzkranzgefässes, die ideale Indikation für einen sogenannten Stent. Zum Glück gab es Zahnärzte mit innovativen Gedanken; denn es war der englische Zahnarzt Charles Stent, der 1856 ein Material erfand, mit dem er Zahnabdrücke formen konnte. Diese Erfindung führte dann zu den heute verwendeten Implantaten für Offenhaltung von verengten Gefässen. Ein so im Herzkranzgefäss eingepflanzter Stent, und schon ist der ganze Spuk mit Durchblutungsstörung, Sauerstoffmangel und Schmerz vorbei.

Nicht so schnell vorbei ist aber der Gedanke an die Möglichkeiten, was alles schon früher hätte passieren können, ja was sich während der beschriebenen Tennispartie oder auch vorher hätte ereignen können. Dies wäre ein Fall mehr für die Statistik des plötzlichen Herztods beim Sport gewesen. Im vorliegenden Fall zeigten sich aber Dank der Ausübung des Sports unter doch etwas extremen Bedingungen die Symptome einer Durchblutungsstörung des Herzens, zwar völlig untypisch erst einige Stunden danach, aber immerhin, so dass die richtigen Schritte notfallmässig eingeleitet werden konnten. Mit Sicherheit konnte dadurch ein plötzlicher Herzinfarkt mit möglicherweise fatalen Folgen verhindert werden.

So spielen wir auch heute noch nach zwei Jahren in der gleichen Tennis-Veteranen-Mannschaft, und die in der Provence vereinbarte Tennispartie wurde im Jahr danach nachgeholt, bei noch höheren Temperaturen, mit langen und intensiven Ballwechseln, aber symptomlos während und auch nach dem Spiel. Dass ich heimlich den Defibrillator in nicht allzu weiter Distanz dabei hatte, erfährt der Kollege nie, ausser er liest irgendwann diese Geschichte mit Schmunzeln, Sport sei Dank!