Der Wolf im Schafspelz


Nach den letztjährigen Geschichten mit Umzug nach St. Margrethenberg ins St. Galler Oberland, nicht ganz ohne Nebengeräusche, was zum Beispiel den Antrag für Wochenaufenthalter in der Stadt betraf, interessiert es Sie vielleicht, wie sich sogenannte Städter auf dem Land eingelebt haben. Deshalb diese ganz unspektakuläre Titelgeschichte, die aber vielleicht doch genügend Brisanz hat, wenn vom Landleben mit Kühen, Ziegen, Gemsen und Wölfen berichtet wird.

Der Titel mit dem «Wolf im Schafspelz» lässt aber das Vorspielen falscher Tatsachen erahnen, es wird also vor heuchlerischen Übeltätern gewarnt, oder, wie es im Neuen Testament heisst «Hütet Euch vor den falschen Propheten, die zu Euch in Schafskleidern kommen, inwendig aber wie reissende Wölfe sind.» In verschiedenen der nachfolgenden Geschichten verstecken sich zwielichtige Gestalten als solch getarnte Wölfe, da kann auch einmal ein Politiker, Umweltschützer oder gar ein Wissenschafter gemeint sein.

Doch schön der Reihe nach. Das Ferienhaus mit dem auf der Buchrückseite abgebildeten neuen  Minihaus im Garten bedeutet eine unglaubliche Wohnqualität mit viel Platz und Ruhe, auch bei Hochbetrieb mit Grossfamilie und sieben Enkeln. Dabei kommt mir gerade das Märchen vom «Wolf und den sieben Geisslein» in den Sinn. Wölfe werden ausser bei den Gebrüdern Grimm auch in St. Margrethenberg zwischendurch gesichtet, sogar das Calanda-Rudel weiss, wo es besonders schön ist, und die Ziegen gut gefüttert sind. Das beste Geschäft für einen hiesigen Land- und Wirt war der Wolfsriss einer seiner Ziegen mit nachfolgender Versicherungsprämie. Damit ist aber nicht gemeint, dass der Wolf ein Geschäft ist. Wie bei den «Sieben Geisslein» könnten vielen Ziegen, so auch Schafen, Gutes getan werden, wenn die Wölfe verkleidungslos wieder ins Märchen zurückgetrieben würden, sie müssen ja nicht gerade mit Steinen ersäuft werden, ein goldener Schuss würde genügen. Doch hatte die Stadtbevölkerung bei der Wolfsabstimmung das Land einmal mehr gebodigt, das Leben von hunderten von Ziegen, Schafen und sogar Kälbern ist offenbar zu wenig wert.

Somit bin ich bei den Kühen, hier kommt weniger Gefahr von den Wölfen als von den Vegetariern und Nettonull-Ceozw-Eiern. Wie Sie dem Titelbild entnehmen können, weiden in St. Margrethenberg tatsächlich noch echte Kühe, und dies auch an Steilhängen, die sonst kaum bewirtschaftet werden können. Falls Sie sich als Wolf im Schafspelz angesprochen fühlen, dann kommen Sie doch einmal mit offenen Augen und Ohren zu uns auf die Alp, geniessen den wunderschönen Anblick des Braun- oder Fleckviehs und hören dem sonoren Glockengebimmel zu, das nicht nur die Wölfe abschreckt sondern als modernes GPS auch die Kühe orten lässt. Sie werden dann Ihren Schafspelz definitiv abstreifen und aus dem Wolf in ein Friedenslämmchen metamorphosiert. Falls dies misslingen sollte, bleiben Sie ein ehrlicher Wolf, aber bitte ohne Schafspelz.

Nun zu den Gemsen in St. Margrethenberg. Beinahe jeden Morgen sehen wir sie rudelweise, wenn sie die steile Felswand auf die saftigen Wiesen hochgeklettert sind und in unserem Hochtal weiden. Ausgerechnet in diesem Herbst und ausgerechnet bei meinem Fotoshooting für ein Titelbild sind diese Gemsen verschollen und weiden anderswo. Wahrscheinlich kennen sie die Nähe des Kantons Graubünden hinten im Tal und sind sich des Bündner Jagdfiebers bewusst, oder wurden durch Helikopterlärm vertrieben. Wie ich kürzlich vernommen habe, werden geschossene Tiere teilweise mit Helikoptern in Richtung Jagdhütte oder sogar Metzgerei transportiert, nicht nur Politiker tragen Schafspelze.