Der schwarze Schwan


Sie haben in den letzten Jahren sicherlich des Schreibers Neigung zu Wikipedia bemerkt, dabei aber auch realisiert, dass die üblichen Definitionen nicht einfach übernommen wurden, sondern sie meistens zu seinen Gunsten Abänderungen erfahren haben. Beim schwarzen Schwan liegt aber alles anders; denn man erhält aufs erste nur drei Begriffe, nämlich den «Trauerschwan», den «Schwarzen Schwan» von Martin Walser und ein gleichnamiges Buch von Nassim Nicholas Taleb, der 2007 unter «Black swan» extreme Auswirkungen unvorhersehbarer Ereignisse beschrieb.

Bei Martin Walsers Drama, das 1964 uraufgeführt wurde, geht es in erster Linie um Vergangenheitsbewältigung respektive Verdrängung der Vergangenheit des Nationalsozialismus. Der Trauerschwan, auch Schwarzschwan genannt, ist hingegen ein wirklicher Schwan, der hauptsächlich in Australien vorkommt und gar nichts mit unvorhersehbaren Ereignissen zu tun hat. Bleibt noch Talebs «Black swan».

Im vergangenen Winter wütete in Texas ein Wintersturm, der die gesamte Energieversorgung zusammenbrechen liess. Ausgerechnet in diesem südlichen Bundesstaat der Vereinigten Staaten, in dem viel Energie produziert wird, waren viele Millionen Haushalte, Firmen und Büros tagelang stromlos. Einfach zusammengefasst, ging in diesem Staat gar nichts mehr. Bryann Kelly, eine Börsen-Analystin, spricht von einem «unterschätzten schwarzen Schwan», sie meint damit einen totalen Zusammenbruch des Enegiemarkts. Wir hingegen sprechen bei uns nur von labilen Gaslieferungen, steigenden Ölpreisen, vielleicht sogar auch von massiv steigenden Stromkosten oder Strommangel, aber dass ein Stromnetz von bekannter Labilität in unbekannte Dysfunktion und letztendlich ins totale Chaos führen kann, wird nirgends erwähnt. Alle fossilen Brennstoffe aber auch alternativen Energieträger nützen nichts mehr, wenn kein Strom mehr fliessen kann. Da funktioniert dann weder Photovoltaik, noch Erdsonde oder Fernwärme, auch bleiben die Wasserhähne trocken.

In Texas waren es mehr als 4 Millionen frierende Menschen, die nach dem Wintersturm «Uri» zuschauen mussten, wie alle Windräder eingefroren waren, von der Sonnenenergie ist im Winter bekannterweise nur sehr wenig zu erwarten, und marktfreundliche Speicherbatterien sind ohnehin noch in weiter Ferne. Hunderte von Kohlenmonoxid-Vergiftungen der Verzweifelten durch Automotoren-Abgase oder unvollständige Ofen-Verbrennung sorgten neben vielen anderen medizinischen Problemen für ein gravierendes Spital-Chaos. Auch in Gretas Heimatland Schweden traten im letzten Winter solche Probleme auf, so dass wieder von Kernkraft gesprochen wird. Wie schmutzig war doch der Ersatz-Strom aus Braunkohle, der aus Deutschland und Polen importiert wurde. Einzig bei uns fährt man die Scheuklappen aus und es wird vom weiteren Atomausstieg geträumt. Der Leiter des AKW Gösgen kaufte sich übrigens einen Dieselgenerator. Wir haben mit Frau Sommaruga ja sogar eine Bundesrätin, die auf ihre Sommerferien verzichtet, um angeblich Strom zu sparen. Das Jointventure-Unternehmen AXPO-Sommaruga wird nächstens die Alpen ohnehin mit hunderten von grossen Solarkraftwerken zumauern, damit genügend Strom in die EU fliessen kann. Da ist ein fliegender Berset direkt sympathisch, da er jeglichen Krisen himmelwärts entfliehen kann.

Der beschriebene schwarze Schwan betrifft aber nicht einzelne eingefrorene Windräder oder zugeschneite Solaranlagen, sondern das ganze Stromnetz, das zusammenbricht. Hatten Sie nicht auch schon in Ihrem Quartier keinen Strom mehr, da in der regionalen Stromzentrale eine Sicherung raussprang. Wie gross war doch die zweistündige Aufregung, bis der Strom wieder floss, und die in der Dunkelheit beim Weihnachtsschmuck gefundenen Kerzen wieder gelöscht werden konnten. In Texas dauerte dies 6 lange Tage. Was geschieht bei uns, wenn wochenlang kein Strom mehr vorhanden ist. Wie gerne denken wir dann wieder an die fossilen Energieträger zurück. Doch auch diese nützen nichts, wenn der schwarze Schwan gar nichts mehr fliessen lässt.

Vielleicht besuchen Sie besser einen Survival-Kurs, diese boomten ja schon zu Corona-Zeiten, oder Sie mieten sich einen Überlebens-Raum in der Festung Furggels also im Keller von St. Margrethenberg. Die 1939 erbaute Festung steht übrigens im Besitz eines Osteopathen, der das mehrstöckige Werk gekauft hat, inklusive 7.5 Kilometer Stollen mit über fünfhundert Betten, Reservoirs von nahezu zwei Millionen Litern Wasser, Notstromaggregaten und sogar einem Spital. In dessen Krankenzimmer hat der Schreibende als simpler Sanitätssoldat anlässlich eines militärischen WK’s sogar eine Inspektion eines Brigadiers überlebt, respektive zum Erstaunen aller Vorgesetzten mit Bravour bestanden. Es wurde allerdings mehr über die ausgeübten Berufe gesprochen, so unterhielt sich der Wirtschaftspädagoge ausgezeichnet mit dem Sportmediziner. Was der Osteopath mit den Bunker- und Panzerturmkanonen gemacht hat, entzieht sich der allgemeinen Kenntnis, wenigstens verirren sich keine Schüsse mehr nach Liechtenstein. Sogar die Atom-Filter-Anlage dürfte noch funktionieren. Durch die konstante, unterirdische Kälte werden heute angeblich Milliarden in Form von Bitcoins umgesetzt, die entsprechenden Computer respektive ihre Anwender sind äusserst dankbar. Die Bitcoin-Besitzer hingegen fühlen sich immer mehr als frierende, schwarze Schwäne, denen die einst wertvollen Federn ausgezupft werden.

Beim schwarzen Schwan gibt es vielleicht noch einen Schleichweg zu den Dieselaggregaten in der Festung. Da wird dann einiges mehr an CO2 in die Welt gesetzt, Hauptsache die Kryptos überleben. Wir selber werden uns dann zweihundert Meter über der Festung genüsslich am Pellet-Ofen erwärmen und bei Kerzenlicht ein Fondue geniessen. Sie sehen, unser im Survival-Kurs erbautes Tinyhouse wirkt Wunder.