Die Golf-Flucht


Woran denken Sie , wenn Sie dieses Wort hören? Fahrerflucht mit einem Volkswagen? Flucht in den Golfsport? Eine Flucht im Golf von Mexiko? Alles, weit gefehlt, es ist viel dramatischer, und statt eines VW’s ist ein Jaguar involviert. Doch schön der Reihe nach, es beginnt mit einem harmlosen Tennistraining unserer Interclubmannschaft in Südfrankreich.

Ein Trainingslager an der Côte d’Azur! Was die Fussballer jeweils vor Beginn der Rückrunde können, dürfen wir Amateurtennisspieler sicher auch, nämlich in den warmen Süden fahren, um zu trainieren. Es geht zwar bei uns nur um die Nationalliga C Kategorie Jungsenioren, doch sind das wahrscheinlich die fanatischsten, da genau dieses Alter Midlife genannt wird, und die Crisis bei diesen beschlägerten Männern ohnehin vorprogrammiert ist. Da kann höchstens noch ein Sieg über den Trainingspartner weiterhelfen, so dass dann beide in eine manische Depression verfallen, der Sieger in die manische, der Verlierer in die depressive Phase.

Wenigstens spielen unsere Frauen diesen egozentrischen, narzisstischen und meistens masochistischen Sport nicht, oder besser gesagt nicht mehr. Mindestens bei mir war sogar noch Sadismus und Schadenfreude im Spiel, wenn die damalige Freundin weder den fiesen Stoppball noch den noch viel fieseren Lob erreichte. Der sofortige Karrierenabbruch und Rückzug in friedlichere Sportarten wie Fahrradfahren war die logische Folge und vermutlich einer der Hauptgründe für ein langes, friedliches und glückliches Zusammenleben, so dass jetzt die Rubin-Hochzeit gefeiert werden kann, was immerhin vierzig Jahren Harmonie entspricht. Doch man beachte, dass in vierzig Jahren zehn Minuten tägliche Diskussion wegen Meinungsverschiedenheit (was ja gar nicht so abwegig wäre)  drei Monaten ununterbrochenem Streit entspricht. Wenn dieses Vierteljahr im falschen Moment eingezogen wird, kullern die Rubine schon lange vor der Vierzigjahr-Feier auseinander, was  in der Tat bei einigen wenigen dieser Tennisfreunde der Fall war. Interessanterweise ist für uns der jeweilige Hochzeitstag ein Tag wie jeder andere, und wir würden ihn beide, wie siebenunddreissig Mal vorher, erneut jeweils vergessen, wäre da nicht unsere Blumenmoni, die mindestens mich seit einigen Jahren fünf Tage im Voraus daran erinnert, so geschehen auch für den Rubin-Tag.

Doch zurück zur Golf-Flucht. Da sind wir alle acht Tenniscracks müde von all den gemeinen Schlägen und beschliessen am Nachmittag den gewohnten Tennisschläger in einen völlig ungewohnten Golfschläger zu verwandeln. Immerhin hat einer von uns Erfahrung, Platzreife und sogar ein Handicap, was wir in andern Sportarten eher als Behinderung bezeichnen würden. Wir lassen ihn an der Kasse den Platz reservieren und auch bezahlen, damit ja keine Fangfragen an uns Nobodies gestellt werden. Doch was heisst Platz, das sind insgesamt achtzehn Löcher, die von uns der Reihe nach gestopft werden müssen.

Bei den ersten sechs geht es ja recht zügig, Tennisspieler sind normalerweise gar keine schlechten Abschläger, das Putten auf dem Green ist dann einiges schwieriger und jeweils von langer Dauer. Andere hätten die achtzehn Loch wahrscheinlich schon lange fertiggespielt, doch wir machen uns erst für den Abschlag bei Bahn sieben bereit. Wir sind schon lange alle auf dem Platz unterwegs nach vorne in Richtung Green, als der letzte von uns zum Abschlag kommt. Ein starkes Ausholen, ein Abwinkeln des Eisens und ein starker Schlag, und schon fliegt der Ball in einem sechzig Grad-Winkel nach aussen. Wir sehen ihn nicht mehr, doch da kommt schon ein blecherner, dumpfer aber dennoch heller und lauter Knall, ein Geräusch das wir nie mehr vergessen werden. Und ausgerechnet neben Bahn sieben liegt der Parkplatz, und ausgerechnet auf der Kühlerhaube eines Jaguars landet der Golfball. Es entzieht sich der Kenntnis der Flüchtenden, ob es wirklich eine Delle gegeben hat. Hagel in der Provence, das wird dem Besitzer wohl keine Versicherung glauben. Fluchtartig verlassen die Hobbygolfer Bahn sieben, ja das ganze Golfgelände, steigen ins Auto und machen eine klassische Golf-Flucht, analog einer Fahrerflucht nach einem Verkehrsunfall.