Sehen Sie selber den traurigen Anblick unseres Kellers in Mandelieu auf dem hinteren Umschlagbild dieses Büchleins im Oktober 2015. Es handelte sich um ein Unwetter, wie es sich an der Côte d’Azur noch kaum je zugetragen hatte, und das so plötzlich auftrat, dass jeder Wechsel der Warn-Ampeln von orange auf dunkelrot zu spät war. Alle wurden überrascht von der Menge und Wucht der Wassermassen, so auch alle Feuerwehren, in Frankreich typischerweise Sapeur-Pompiers genannt, also Pioniere der Pumpe, da gibt es demzufolge nicht nur Feuer zu löschen.
Das Glück stand jedoch auf unserer Seite, in dem die Bekannten, die in dieser Zeit in unserem Studio die Ferien verbrachten, hervorragende Kenner der Flugszene waren und die Früherkennung solcher Wetterkapriolen lebensrettend war, und sie auch dieses sogenannte Höhentief voraussahen, bei dem sich in der Höhe kältere Luft befindet und sich am Boden, verstärkt durch das warme Mittelmeer, sehr viel feuchte Luft in riesige Gewitterzellen umwandelt. Die notfallmässige Heimreise am Vorabend der grossen Katastrophe war die richtige Lebens- und Auto-erhaltende Massnahme und ersparte vor allem auch viel Ärger. Bei hundertzehn Liter Regen pro Stunde pro Quadratmeter, was etwa dreissig vollen Putzeimern pro Quadratmeter in den drei Gewitterstunden entspricht, wird einfach alles weggeschwemmt. In der Schweiz beträgt die durchschnittliche Niederschlagsmenge im Herbst etwa 40 Liter pro Quadratmeter im ganzen Monat und nicht etwa in einer Stunde.
Dieses Glück fehlte jedoch etwas unseren anderen Bekannten, die am Folgetag des Unwetters nach Mandelieu fuhren und ruhige Ferien an der herbstlich- warmen Küste verbringen wollten. Vor lauter Feuerwehren, Wasserpumpen, Polizei und anderen Helfern war der Zugang zu unserer Domaine du Cap Vert vollständig versperrt. Doch der Anblick der Schlamm- und Wassermassen und vor allem auch der wie zerdrückte Schuhschachteln übereinander liegenden Autos liess auch sie, nach kurzer Inspektion des zum Glück im dritten Stock liegenden aber stromlosen Studios, die sofortige Heimreise antreten, glücklicherweise jedoch unversehrt, oder wie es auf französisch heisst «sain et sauf».
In der Zwischenzeit erfahren wir, dass sämtliche Garagen und Keller bis zur Decke überschwemmt und zerstört sind, so dass wir rund eine Woche später selber die Unwetterschäden beurteilen möchten und in den Süden fahren. Bei unserer Ankunft lagert tonnenweise Material am Rande der Siedlung, das die Bewohner und die unzähligen freiwilligen Helfer aus den Katakomben und untersten Wohnungen herausgeholt haben. Also nichts wie los, selber in den Keller, um einen Blick zu werfen, wobei der zwanzig Zentimeter hohe Schlamm mich, meine üblichen Sportschuhe tragend, sofort in die Flucht schlägt. Im dritten Einkaufszentrum finde ich dann tatsächlich noch ein allerletztes Paar Stiefel, mit dessen Hilfe ich hoffe, den Schlamm trockenen Fusses durchwaten zu können.
Dann also auf zu Gang zwei in den Keller. Doch mache ich zum zweiten Mal rechtsumkehrt, diesmal wegen vollständiger Dunkelheit bei selbstverständlich noch nicht wieder hergestellter Elektrizität. Dass ich jemals meine Stirnlampe, die ich sonst nur für Nähzwecke verletzter Fussballer aufsetze, für die Bestandesaufnahme eines dunklen, verschlammten Kellers benötige, hätte ich mir auch nie vorgestellt. Zum Glück habe ich das Licht am Handy erst nach dem ersten Schreck eingeschaltet, es wäre mir beim deprimierenden Anblick glatt aus den Händen gefallen. Alle drei Türen bis zum Keller sind vollständig eingedrückt und zersplittert, der schon beschriebene, stinkende Schlamm bedeckt den Boden, das vollständig zerstörte Kellergestell und unsere erst drei Monate alten e-Mountainbikes liegen schlammbedeckt und vollständig gewässert in einer Ecke, und das alles in einer gespenstischen Atmosphäre, wie sie sonst nur von Höhlenforschern erlebt wird.
Nach Erforschung und fotographischer Bestandesaufnahme unserer Kellerhöhle beginnt die Untertagebau-Förderung der Keller-Requisiten à la Braunkohle im Ruhrgebiet mit der anschliessenden Entschlammungsdusche, die wir noch heute genau vor uns sehen, wie liebevolle Helfer gleich die Hochdruckdüse in die Hand nehmen. Freudig entpuppen sich die Fahrräder zu neuen Mountainbikes, allerdings entledigt sämtlicher Elektrizität und Elektronik, wobei die Akkus statt zu ertrinken im Studio aufbewahrt wurden. Der erfolglose Versuch, mit den montierten Akkus die Elektrounterstützung wieder herzustellen, hätte sich eigentlich erübrigt, dennoch hatten die beiden Helfer erstaunlicherweise eine grosse Freude, die beiden Fahrräder ohne Steuergerät und ohne Akkus zu bekommen, sobald die Versicherung sie nicht mehr benötige.
Der gewiegte Leser kennt ja von früheren Geschichten her die zweifelhafte Höchstqualität französischer Versicherungen, doch brechen diesmal sämtliche Rekorde der grosszügigen Geberqualitäten. Fahrräder sind nämlich in Frankreich nur versichert, wenn sie in der Wohnung aufbewahrt werden. Man stelle sich ein Studio vor, in dem neben dem Dasein üblicher Möbel noch zwei Fahrräder parkiert sind! Da die e-Bikes jedoch innerhalb eines Jahres in der Schweiz gekauft wurden und keine gelben Nummern tragen, bezahlt uns die Schweizer Hausrat-Versicherung anstandslos den Neupreis, so dass wir zukünftig Dank der neuen Fahrräder mit neuen Akkus und der im Studio aufbewahrten Akkus doppelt so weit wie bisher e-moutainbiken können. Doch in unserem Quartier hatten nicht alle Bewohner so Glück; denn es gab auch welche, die beim Versuch, die Autos aus der Garage zu retten, keinen zweiten Lebens-Akku bekamen. In solchem Vergleich sind ertrunkene Fahrräder mit oder ohne Akkus lächerliche Bagatellen.