Noch kaum je haben wir eine Lieferung von Möbeln oder Küchengeräten in Auftrag gegeben. Je älter man wird, desto stolzer dürfte man sein, dass der schwächelnde Körper es noch zulässt, ein Sofa oder ein Bett selber zu tragen. Physiotherapeuten und Chiropraktoren sollen ja schliesslich nicht arbeitslos sein. In Frankreich sind es aber wahrscheinlich auch gemachte Erfahrungen, die einen vorsichtig werden lassen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Erlebnisse des «Kühlschranks in der Provence». Hätten wir aber im voraus gewusst, dass unsere französische Möbelfirma den Geschäftssitz in Amsterdam und den Hauptsitz in Südafrika hat, hätten wir wahrscheinlich auf die Lieferung der Möbel und Küchengeräte für die in der Zwischenzeit noch zusätzlich gekaufte Zweizimmerwohnung verzichtet, obwohl die Wurzeln der conforamen Firma mit weit über hunderttausend Beschäftigten in Deutschland liegen.
Als IKEA-erfahrene Puzzle-Spieler freuen wir uns auf die Lieferung von morgen mit neuen Zusammensetzspielen, schliesslich haben wir seit der Bestellung auch über zwei Monate warten müssen. Das Telefon mit der Terminbestätigung und Zeitangabe der Lieferung vergrössert diese Vorfreude noch. Die sms am Vorabend lässt aber schon eher suboptimale Vorahnungen aufkommen, «désolé de vous informer que votre commande n’est pas disponible», was nichts anderes heisst, als dass die Lieferung ausfällt. Und genau wegen dieser Lieferung haben wir alle Handwerker gestresst, dass sie unbedingt vorher fertig sein müssten, ja wir haben deshalb sogar die Geburt eines Enkels zu Hause verpasst, doch war es für die Neu-Mutter und die mittlerweile vierfache Oma vielleicht besser, wenn siebenhundert Kilometer dazwischen lagen.
Die Spannung am Ausliefertag ist riesig, und tatsächlich kommt ein Telefon, dass sie mit ihrem Camion am Eingangstor stehen. Nichts wie raus, um zu schauen, was abgeladen wird, immerhin das schwere Sofa, der Kühlschrank und ein ganz kleines Paket, das angeblich die Stühle enthält, das Puzzle lässt grüssen. Aber kein Bettrost, kein Tisch, keine Glasplatte. Es täte ihnen sehr leid, aber das sei nicht vorhanden. Unsere höfliche Fassade lässt uns bedanken, wir lassen sogar noch ein paar Euros springen für die tadellose Zusammensetzung des Cliqueclaque-Sofas, doch in unserem Innern sind wir so nahe am Siedepunkt, dass wir diese Energie gleich in eine Autofahrt ins Möbelgeschäft umwandeln. Ein Hybridauto hätte sich mit dieser Energie zum Rennwagen entwickelt. Zum Glück dürfen wir unsere Reklamation auf Französisch vorbringen, auf Schweizerdeutsch wäre es hundert Dezibel lauter und aggressiver. Das Bett und der Tisch seien selbstverständlich an Lager, und wir könnten es sogleich mitnehmen, hier seien auch sechzig Euro Rückvergütung für die ausgefallenen Transportkosten. Der Bettrost des Doppelbetts macht zwar in der Paketgrösse den Stühlen Konkurrenz, doch sind wir beim Umfang und dem Gewicht der Tischplatte dankbar dafür.
Auf los geht’s los, das Puzzle mit den berühmten Inbus-Schlüsseln. Bett, Stühle und der Tisch sind in Windeseile zusammengesetzt, es fehlt nur noch die gläserne Tischplatte. Vorsichtig hieven wir sie an ihren richtigen Ort und realisieren, dass an einer Seite die Kante zerbrochen ist. Wahrscheinlich haben wir schon bei der Lieferung alles Adrenalin verbraucht; denn so ruhig hätte ich uns bei diesem Anblick nicht erwartet. Zu viel Stresshormone hatten vermutlich auch die Angestellten des Möbellagers; denn die Tischplatte war auf Grund eines Risses in der Kartonschachtel, den wir leider erst jetzt bemerken, in traumatischen Bodenkontakt geraten. So dürfen wir erneut ins Möbellager fahren, um die Glasplatte umzutauschen, zum Glück ist gerade noch eine einzige vorhanden. Das heisst aber auch nichts anderes, als dass die Firma sogar noch zwei Tische zur Auslieferung gehabt hätte.
Wieder zu Hause angelangt, würde die Montage aber noch zu lange dauern, und da der Tisch ohne Glasplatte mit sechs Stühlen nicht einsatzbereit ist, und wir das Abendessen nach anstrengendem Tag nicht nur virtuell einnehmen wollen, beschliessen wir, das Dîner auswärts zu geniessen. Bei diesem Dreigang-Menu mit vier überraschenden Amuse-Bouches stellen wir mit Freude fest, dass wir erstens phantastisch und zweitens beinahe gratis essen. Wir verspeisen ja die sechzig Euro, die wir für den Selbsttransport vergütet bekommen haben. Das Bessemer-Prinzip zeigt, wie aus Roheisen Stahl erzeugt wird. Bei uns entstehen aus den Rohmaterialien Holz und Glas wunderschöne Möbel und das neue Lieblingsrestaurant in Mandelieu mit dem Namen «Bessem».